Text: Samira Frauwallner
Selbst erwachsene und aufgeklärte Frauen und Männer, die bei so mancher Westenfilm-Brutalität nicht mit der Wimper zucken, zieht es bei dem Gedanken zusammen, einen unförmigen Gegenstand im Allerwertesten verkeilt vorzufinden, der nur in einer Notoperation entfernt werden kann. Nicht so den Münchner Urologen Dr. Wolf* (Namensänderung der Redaktion), der sich für unseren Bericht bereit erklärte, einige Geschichten aus der Ordination zu erzählen. Und obwohl ich mich als eine jener erwachsenen und aufgeklärten Frauen bezeichnen würde, wurde ich mehrmals überrascht, für welch erinnerungswürdige Situationen Sex und das dazugehörige Spielzeug sorgen können. Stichwort Feuerwehr, Penisbruch und verloren gegangene Gegenstände…
Dummheit, Langeweile und eine Glühbirne im Allerwertesten
Dr. Wolf treffe ich zum ersten Mal in einem Münchner Airbnb. Er war überrascht über meine Tätigkeit als Redakteurin für ein Männermagazin, ich war überrascht über seine Tätigkeit als Urologe. Schnell finden wir abends bei einem Glas Wein mit Blick auf die Dächer des West-End Themen, die über normalen Smalltalk hinausgehen. Als ich ihn frage, ob er denn als Urologe nicht auch den ein oder anderen Un – fall behandeln müsse, schenkt er mir Wein nach und fragt, ob ich mir sicher sei, die Geschichten hören zu wollen. Anstatt zu antworten, trinke ich einen großen Schluck und nicke. Der Münchner Urologe, der aktuell im Urlaub ist, beginnt schonend, mir aus seinem Alltag zu erzählen. Seiner Erfahrung nach würden die meisten Unfälle in den eigenen vier Wänden geschehen
„Warum?“, hake ich nach.

„Manchmal einfach pure Dummheit oder Langeweile“, antwortet der Männerarzt. „Es sind nicht nur Sexspielzeuge, die Gefahren mit sich bringen. Es ist vor allem der Einsatz alltäglicher Gegenstände zur Lustbefriedigung“, klärt er mich auf.
„Gurken? Karotten?“, frage ich und sinniere darüber nach, ob diese Unfälle nicht eher bei Frauen passierten. „Wenn es denn dabei bliebe“, sagt Dr. Wolf. Fast ausweichend berichtet er mir eingangs von einer Schauergeschichte aus dem Internet: Einem jungen Mann sei es vor einigen Jahren sinnvoll erschienen, den eigenen Allerwertesten als Glühbirnen-Fassung zweckzuentfremden und sich eine Glühbirne in seinen Anus zu schrauben. Als diese zerbrach und interne Blutungen verursachte, sei die Überraschung groß und die internen Blutungen stark gewesen.
Ring of Fire
Ein weiterer großer Schluck Wein folgt seinen Vorgängern, dann will ich mehr über Dr. Wolfs selbst erlebte Geschichten wissen. Er seufzt und erzählt halb lachend, halb mit verzerrter Miene: „Einen Mann kann ich nicht vergessen, der mit hochrotem Kopf bei uns in der Notaufnahme erschien. Hochrot war vor allem auch sein bestes Stück, über das er in einem Anfall von Neugier einen Penisring gestülpt hatte.“ Er fügt hinzu: „Aber einen aus Eisen. Aus dem Werkzeugschrank.“ Bevor er mir erzählt, was genau passiert ist, ist es Dr. Wolf ein Anliegen, mir Penisringe genauer zu erklären:

Der Penisring wird vor dem Sex über das noch nicht erigierte Glied gezogen. Wird das beste Stück steif, sitzt der Ring fest und das Blut kann nicht mehr abfließen, der Penis wirkt größer und härter und die Erektion hält länger an. Ein Penisring ist außerdem selten ein Problem, solange er nicht zu eng sitzt. Die kleinen Sextoys sind in diversen Materialien erhältlich. Von Gummi und Latex über Leder bis hin zu Metall. Während Penisring-“Anfängern“ dazu geraten wird, Gummi- oder Latexringe zu verwenden, die man im Notfall schnell wieder abnehmen oder durchschneiden kann, greifen Ring-Liebhaber gerne zu weniger dehnbaren Leder- und Metallringen. Jedoch vor allem bei Metallringen besteht die Gefahr darin, dass sie nicht nachgeben und so bei einem zu eng gewählten Ring schnell Gewebeschädigungen am Penis auftreten können.
Marmeladengläser und der Darm
„Und das ist diesem Mann passiert?“, frage ich.
Dr. Wolf nickt. „Das Ding saß so fest, dass die Feuerwehr kommen und es aufschneiden musste. Den Ring natürlich, nicht das Glied.“
Mittlerweile ist es finster und nur Kerzenlicht erhellt den Unterkunftsbalkon. Schon als Kind hat man sich nachts bei wenig Licht Schauergeschichten erzählt. Diese hier sind jedoch auf dem nächsten Level. Ich bin mittlerweile wie eine jeder Gaffenden bei Unfällen, die nicht hin-, aber auch nicht wegsehen wollen, und frage den Urologen nach weiteren Geschichten.
„In meiner Branche hört man auch von Männern, in deren Hintern ganze Marmeladengläser, Dildos, Auberginen oder Kartoffeln verschwinden. Meist ist das noch harmlos, weil man da einfach ein Endoskop einführt, der Darm wird mit Luft aufgepumpt und der Gegenstand dann entfernt.“ Mir wird kurz schlecht. Dr. Wolf zuckt mit den Schultern. „Das ist zwar nicht mein Alltag, aber in der Notaufnahme keine Seltenheit.“
Safer Use – Auch und vor allem bei Sex Toys
Manche Geschichten, die er danach erzählt, sind lustig. Bei manchen bleibt einem aber auch das Lachen im Hals stecken, so wie die Spielzeuge an Orten, wo sie nicht hingehören. Bevor die Uhrzeiger die 12 erreichen, möchte Dr. Wolf an dieser Stelle eine Botschaft nach außen tragen. „Es ist gut, sich mit seiner Sexualität und seinem Lustbefinden zu beschäftigen. Es gilt aber, sich auch mit eventuellen Gefahren und Infektionsrisiken, wie bei jeder sexuellen Aktivität, vorab zu beschäftigen.“ Relativ sicher sei man jedenfalls, wenn man auch bei Dildos und Vibratoren Kondome verwende. Glaubt man Dr. Wolfs Geschichten, so dürfte es am gefährlichsten sein, wenn mit völlig zweckentfremdeten Gegenständen, so zum Beispiel Spraydosen, Werkzeugen oder Haushaltsgegenständen, hantiert wird.

Nach diesem Abend habe ich deutlich mehr Respekt vor allen möglichen Gegenständen. Als ich am nächsten Morgen die Glühbirne in der Küche betrachte und mir vorstelle, wie man auf die Idee kommen kann, sich diese anal einzuführen, fällt mir ein kleines Kuvert im Eingang auf. Dr. Wolf ist schon vor mir abgereist, hat mir aber eine Botschaft hinterlassen: „The Good, the Bad and the Ugly. Nicht alle Banditen sind böse, wenn man sie richtig zu behandeln weiß.“