Text & Fotos: Andreas P. Tauser
Diese Arbeit als Monteur und Supervisor für ein großes internationales Unternehmen führte den 46-jährigen gelernten Maschinenschlosser rund um den Planeten, in mehr als 40 verschiedene Länder. Dort lebt er immer wieder viele Monate lang in einer Welt, die aus anstrengenden 16-Stunden-Arbeitstagen besteht, aus Männerkollegschaften und zum Teil gewöhnungsbedürftigen sanitären und sozialen Verhältnissen. Eine Melange aus Oberflächlichkeit, Einblick in fremde Länder und Kulturen und der stets präsenten Sehnsucht nach der eigenen Wohnung im Heimatland. Schon sehr früh war Martin mit dem Motor-Virus infiziert. Mit 16 stieß er in einer Scheune zufällig – und im wahren Sinne des Wortes, weil bei einem Sprung ins Heu – auf eine 1977er Vespa 125 GTR, die er dem damaligen Besitzer für 500,- Schilling (heute etwa 35,- Euro) abkaufte und später restaurierte. Danach folgten Husqvarna- und KTM-Motorräder. In seinen frühen Zwanzigern fuhr der begeisterte Freizeitsportler, der sich unter anderem im Eishockey und Paragleiten versuchte, regelmäßig auf das Siegerpodest in der österreichischen Enduro-Staatsmeisterschaft. Nach einiger Zeit in der Rennklasse Supermoto kamen die ersten amerikanischen Vehikel in die Garage des im steirischen Weiz lebenden Weltreisenden. Den Anfang machte eine Harley Davidson Softail Classic 1340.
„Ich habe mir jedes meiner Fahrzeuge hart erarbeitet“, sagt Martin. Und er erzählt von langen Aufenthalten in Gegenden der Welt, in denen der Alltag der Menschen so rein gar nichts mit dem zu tun hat, was wir als Mitteleuropäer kennen. „Armut, Kriminalität und der tägliche Kampf ums Überleben“, erzählt Filzmoser. „Das Leben als Monteur ist nicht so romantisch, wie viele sich das vorstellen. Viel Freiheit und viele Erfahrungen zwar. Wo immer man aber auch ist, man ist letztlich immer allein.“ Ganz gleich, ob es die schönsten Sonnenuntergänge an einem mexikanischen Strand seien, die mitreißende Musik in einem schottischen Pub oder ein Überfall auf einer Schotterpiste in Costa Rica, man sei immer weit weg von seiner Familie oder seiner Partnerin daheim.
„Wenn man unser kleines Österreich ein halbes Leben lang immer aus der Ferne sieht, wird einem schnell bewusst, dass wir uns oft alle viel zu wichtig nehmen“, sagt Martin, als er das Tor zu seiner Garage öffnet und mich in seine heiligen Hallen lässt.
Der Geruch in der Luft tut nach Benzin, frisch gekalkter Mauer und altem Leder, wie ich es bald darauf im Innenraum eines gigantischen Pickups sehe. „Ein 1975er Ford F100 4×4“, sagt Martin gleich und fügt hinzu: „Da drin ist einer der größten von Ford je in einem PKW verbauten Bigblocks mit 429 CUI (Cubicinches = Kubikzoll), also 7 Litern Hubraum und 495 Nm Drehmoment.“
Als er das Teil startet, vibriert alles in der Garagenhalle, der schwarze Ford-Koloss schaukelt bei jedem Tritt aufs Gaspedal. Beeindruckendes Gurgeln, 220 PS. Als ich nach dem Treibstoffverbrauch frage, erhalte ich eine unerwartete Antwort: „Ich spiele mit dem Gedanken, den Pickup auf Elektroantrieb umbauen zu lassen. Vielleicht darfst du das schreiben: Ich suche gerade nach Fachleuten, die mir das machen.“
Als der F100 4×4 für die Fotoaufnahme abgestellt ist, holt Martin Filzmoser den nächsten Ford aus der Garage: Einen 1967er Mustang Fastback mit 5-Liter-, 290-PS-Maschine. „Der hat mich unzählige Stunden Arbeit gekostet“, erzählt der große Blonde, dem man sein eigentliches Alter nicht ansieht. „Motor und Innenraum wurden zur Gänze zerlegt und überholt.“
Als er etwas später im Schein der untergehenden Sonne dasteht, erinnert der grüne Mustang unweigerlich an die spektakuläre Verfolgungsjagd im legendären McQueen-Film „Bullitt“ und verleiht der schmalen Straße am Stadtrand von Weiz für Momente einen Hauch San Francisco.
Der dritte Ford-Motor im Besitz von Martin ist in einem 1959er Willys Jeep verbaut. Das US-Gefährt war im Koreakrieg im Einsatz. 2 Liter Hubraum in 4 Zylindern mit 60 PS reichen aus, um das praktikable Kriegsgerät durch fast jedes noch so unwegsame Gelände zu steuern, erzählt mir Filzmoser. „Minimalismus pur. Dieses Auto hat alles, was es braucht. Nicht weniger und auf keinen Fall mehr.“ Als brauchbar erweist sich eine gebogene Eisenstange, die Martin durch ein Loch unter dem Motor führt. „Die beiden Batterien sind leer, deshalb starten wir mit Kurbel.“
Die zweispurigen Fahrzeuge parken auf der Pferdekoppel vor einer alten, verfallenen Scheune in der Nähe von Martins Garage, und so fehlen für das Foto nun noch die Motorräder. Eine BMW 1200 RnineT Baujahr 2014, eine 2008er Harley Softail CVO Springer und eine Harley Sportster 883 aus 1991, die wir auf die Weide schieben müssen, weil der Gasgriff und andere Teile abmontiert sind. „Viele meiner Fahrzeuge sind Projekte, an denen ich arbeite, wenn ich Zeit dazu habe“, erzählt Martin. Die alte Vespa GTR darf mit aufs Bild, eine BMW Flying Brick aus den 1980ern ist bis auf das Gerüst zerlegt und muss in der Garage bei einer alten Puch MV 50 bleiben.
„Irgendwie seltsam“, sinniert der Steirer, der die HTL-Matura auf dem zweiten Bildungsweg nachholte, „dass ich mir mit dem berufsbedingten Unterwegssein hauptsächlich Objekte für das Unterwegssein daheim finanziere.“
Auf die Frage, welches Ami-Fahrzeug als nächstes in die Garage kommt, antwortet Martin: „Ich habe mit den aktuellen jetzt einmal Arbeit genug.“
Ich denke an den Klang von 8-Zylinder-Motoren, als ich das Anwesen im Süden von Weiz verlasse, an Autos und Motorräder mit Persönlichkeit und daran, wie viel Arbeit es kostet, sich diese Raritäten leisten zu können, die dann letztlich doch wieder recht viel Arbeit machen. Eine Arbeit, die glücklich machen kann, wie ich das eindrucksvoll in Martin Filzmosers heiligen Hallen erleben durfte.