Die einen sind Kampfsportler, MMA-Fighter, Schwarzgurtträger, kurz: „Hard Challenger“. Die anderen sind Naturliebhaber, Mind-Coaches, Hobby-Eisbader aus Überzeugung, kurz: „Heart Challenger“. Was diese zwei Welten vereint, ist die Überwindung einer körperlichen und psychischen (Kälte-)Grenze im Alltag.
HARD CHALLENGER: FIGHTER UND SCHWARZGURTTRÄGER
Von Andreas P. Tauser
Bei Witterungsverhältnissen, die den Großteil der Österreicher zu Handschuhen, dicker Jacke und Winterstiefel greifen lässt, zieht sich eine besonders hartgesottene Gruppe von Wasserliebhabern bis auf die Badehose aus und steigt bei Temperaturen im Minusbereich in Eiswasser, in zugefrorene Teiche und Seen: Die stetig wachsende Gemeinschaft der Eisbader.
Die Fighter von der Kampfsportschule ‚Champions Graz‘ rund um die ehemaligen MMA-Kämpfer Gerhard und Michael Ettl zelebrieren diesen ganz besonders kalten Sport seit mittlerweile neun Jahren. Am Schwarzl Teich, einer vom durchschnittlichen Besucher nur im Sommer genutzten Freizeitanlage im Süden der steirischen Hauptstadt, wird an Wintertagen zuerst das Eis aufgeschlagen, dann setzen sich bis zu zehn Kampfsportler bis zum Hals ins im wahren Wortsinn eiskalte Nass.

Meister seiner Klasse
Der 47-jährige Gerhard Ettl trainiert seit seiner frühen Kindheit Kampfsport, ist sowohl im Kickboxen, als auch im Jiu Jitsu, im Karate und im Taekwondo mehrfacher Schwarzgurtträger. Zudem erhielt er hohe Schülergraduierungen und Auszeichnungen im Hapkido, im Tang soo do, im Hwa Rang do, im Allkampf, im Muay Thai, im Judo und im Kobudo. Er ist mehrfacher Meister im Mixed-Martial-Art (MMA) und hat Erfahrung im Bare-Knuckle-Fight (dem Kampf ohne Schutzausrüstung, ohne Handschuhe und Gewichtsklassen). Doch im Zusammenhang mit dem Eisbaden zeigt sogar Ettl sich bescheiden:
“Wer es bei uns am längsten im Wasser aushalten kann, wird der neue Eis-Champion. Die Sportler verspüren beim Eisbaden stechende Schmerzen im gesamten Brustbereich und selbst die härtesten MMA-Kämpfer scheitern oft innerhalb der ersten Minute. Das ist kein Zuckerschlecken. Man muss es wirklich am eigenen Leib verspüren, wenn Atemnot eintritt, gefolgt von einer Panikattacke, und wenn dann vielleicht noch der Kreislauf versagt! Schüttelfrost ist Standard bei diesem Prozedere.”
„Das Ettl bros.-MMA-Kampfteam sucht ständig neue Herausforderungen, um ihre aktiven Wettkämpfer zu fordern und diese psychisch und physisch in Topform zu bringen“, erzählt der Mitbegründer der österreichischen Freefight-Szene, der im November 2013 unter dem Titel ‚Die effektivsten Techniken’ das erste deutschsprachige MMA-Buch auf den Markt brachte.
“Eine dieser Extremaktivitäten ist das Eisbaden”, sagt Ettl. “Teilnehmen können da bei uns nicht nur Wettkampfsportler, aber der Großteil besteht aus aktiven Kämpfern.“

Die psychischen Kriterien im Vordergrund
Wim Hof, der mehrfache Weltrekordhalter im Eisbaden, ist den Ettl Brothers freilich ein Begriff. “Seine Atemmethode stammt aus Asien, buddhistische Mönche nutzen diese schon seit über tausend Jahren. Wir, die wir asiatischen Kampfsport praktizieren, haben natürlich einen starken Bezug zu dieser Kultur. Wir arbeiten beim Eisbaden zwar nicht nach der Wim Hof-Technik, Atmung ist aber eines der wichtigsten Elemente beim Eisbaden und generell im gesamten Sport.”
Den Hintergrund der buchstäblich coolen Aktionen haben die Ettl-Brüder, die als Coaches dem deutschen Nationalteam zum Europa- und Weltmeistertitel verhalfen, schnell erklärt: “Für uns Trainer bietet das Eisbaden eine gute und wichtige Möglichkeit, unsere Sportler ´lesen´ zu lernen.
Die psychischen Kriterien: Umgehen mit der Stresssituation vor dem Einstieg ins Wasser, Verhalten in einer Situation, in der Panik entsteht. Wie schnell setzt Panik ein? Wie hoch ist das Durchhaltevermögen? Wann bricht der Sportler mental ein? Hinzu kommen die physischen Kriterien: Halten Körper und Kreislauf eines Sportler stand, wenn Panik einsetzt? Können Schmerzen unterdrückt werden oder verrät die Körpersprache die Belastung?
Der Erfolgreichste beim Eisbaden ist nicht automatisch der beste Kämpfer. Aber am gesamten Verhalten können wir sehr viel über den einzelnen Sportler erfahren.”
Das Hauptquartier der Ettl bros. befindet sich in der Grazer Kasernstraße, dort betreiben sie eines der größten Kampfsport-Gyms Österreichs. Auf 800 Quadratmetern Fläche bietet das Gym Kampfsport- und Fitness-Training für Hobby- sowie Profi-Sportler. Zur Ausstattung gehören ein Boxring, Sport Cage (Oktagon), Kraftgeräte und ein Cardio-Bereich. “Und für die ganz besonders Harten”, so Gerhard Ettl, „beginnt jetzt im Winter wieder die Badesaison.”